Leseproben

Auszug aus dem 5. Kapitel:

"Stell' dir vor, es ist Sommer"

Die übernächste Woche hält ein weiteres Highlight bereit: unsere wahrscheinlich exzentrischste, aber auch reichste Mandantin, Frau Elisabeth Maria von Koberstein-Wels, hat einen neuen Fall, und mir kommt die große Ehre zuteil, ihn zu bearbeiten. Frau Koberstein-Wels ist schon ein wenig älter, verwitwet und kinderlos. Vermutlich aus der Kombination dieser drei Faktoren schwimmt sie in Geld und weiß nicht, wohin damit. Glücklicherweise hilft ihr mein Chef und berät sie bei diversen Stiftungen, gesellschaftsrechtlichen Transaktionen sowie erbrechtlichen Verfügungen. Vermutlich, weil es bei dem anstehenden Rechtsstreit um einen äußerst geringen Streitwert geht, nämlich sage und schreibe 254,73 Euro, was schon den Stundensatz meines Chefs unterschreitet, darf ich die Akte betreuen. Es geht darum, dass Frau von Koberstein-Wels vor einigen Wochen eine sog. "Kirschtasche" verspeist und sich dabei an einem eingebackenen Kirschkern ein Stück Zahn abgebrochen hatte.
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Auszug aus dem 3. Kapitel:

"Action required!"

Das Wetter ist herrlich, und wir brunchen auf dem Balkon. Anschließend muss Leon ein paar Mails checken, während ich kurz einkaufen gehe. Am Nachmittag machen wir uns auf in den Olympiapark, wo zur Zeit das alljährliche Tollwood-Festival stattfindet. Ich liebe diesen bunten Wahnsinn aus Verkaufsständen und Fressbuden, Musikzelten und Bars, der drei Wochen lang unsere Stadt bereichert. Es gibt dort Schmuck ohne Ende, aber auch so lebenswichtige Dinge wie Hängematten, Bongotrommeln, Buddhastatuen, Räucherstäbchen oder handgemachte Seifen. Von dem früheren Ökofestival, mit grünen Botschaften und echten Alternativen, ist allerdings nicht mehr viel geblieben. Anschaulichstes Beispiel ist der Stand von Greenpeace, den man schon eigentlich nicht mehr Stand nennen kann, so klein ist er. Er verschwindet fast zwischen den kommerziellen Buden. Vor vielen Jahren waren Menschen mit hennagefärbten Haaren und Anti-Atomkraft- oder Batik-TShirts die Hauptklientel. Trug man normale Jeans und Bluse, fiel man schon fast auf und outete sich als Spießer. Ich selbst habe jahrelang mein Umweltschutzbriefpapier auf Tollwood gekauft und getrocknete Früchte, auf denen ein Siegel bestätigte, dass sie in fairem Handel mit einem Dritte-Welt-Land ihren Weg nach Deutschland gemacht haben. In den Zelten - damals gab es noch deutlich weniger als jetzt - waren Ausstellungen und Informationen über den tropischen Regenwald und gefährdete Tierarten. Tja, gefährdet sind heutzutage allenfalls die armen Hunde, die von ihren Besitzern gnadenlos über das Festival geschleift werden und so gut es geht den vielen Füßen um sie herum ausweichen.
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Auszug aus dem 8. Kapitel:

"Mein Leben ist eine Baustelle!"

Würde mich jemand auffordern, bei 15 C Grad, Windstärke 4 und leichtem Sprühregen drei Stunden durch feuchten, schweren Sand zu marschieren, ich würde ihm einen Vogel zeigen und mich selbstverständlich weigern. Auf Sylt macht man es nicht nur freiwillig, sondern auch noch gerne! Ein faszinierendes Phänomen. Ich war mir nicht sicher gewesen, ob es eine gute Idee war, so alleine im Herbst auf die Insel zu fahren. Doch mit genügend Lesestoff und einem Zwischenstopp in Hamburg bei Freunden wird es schon nicht zu trist werden. Ich wollte so gerne das Meer sehn, immer mehr vom Meer sehn... In meiner gemütlichen kleinen Ferienwohnung unterm Dach ist es kuschelig-warm. Die weißen und hellblauen Holzmöbel strahlen eine beruhigende Sauberkeit und Geborgenheit aus, und das Bettzeug mit den blauen und hellgrünen Streifen ist frisch duftend und schwer. Ich schlafe jede Nacht wie ein Stein den berühmten Inselschlaf. Es ist so ruhig, dass man stets das Fenster einen Spalt geöffnet lassen kann und einen Hauch salziger Luft spürt. Da die Tage schon recht kurz sind, stehe ich jeden Morgen früh auf. Ab und zu kann ich mich vorm Frühstück zum Joggen am Strand aufraffen. Ich trabe von "meinem" Häuschen die wenigen Meter bis zum Strandaufgang und bin immer wieder überwältigt, wenn sich die Nordsee vor mir auftut. Meist bleibe ich erst einige Minuten an die Holzbrüstung gelehnt und lasse die Weite auf mich wirken. Höre die Möwen. Rieche das Salz. Fühle den Wind.
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